Priorisierung in der medizinischen Versorgung - „Was ist den Bürgern wichtig?“

Bevölkerungssurvey und Bürgerkonferenz zur Priorisierung in der Medizin

Fragestellung

Was ist den Bürgerinnen und Bürgern in der medizinischen Versorgung besonders wichtig? Auf welche Werte und Kriterien soll sich ihrer Meinung nach die Prioritätensetzung in diesem Bereich stützen? Welchen Beitrag können Bürger zur Priorisierungsdebatte leisten?

Projektbeschreibung

Über Priorisierung in der medizinischen Versorgung wird in Deutschland bislang fast ausschließlich in Fachkreisen gesprochen. Bürgerinnen und Bürger sind jedoch als Steuer- und Beitragszahler sowie als (potentielle) Patienten unmittelbar von Prioritätensetzung in diesem Bereich betroffen. Besonders die Frage nach den Werten und Kriterien, die der Priorisierung zugrunde liegen sollen, kann nicht von Fachleuten allein entschieden werden und bedarf eines öffentlichen Diskurses. Die Präferenzen der Bevölkerung hinsichtlich inhaltlicher und formaler Priorisierungskriterien werden zunächst im Rahmen eines postalischen Surveys in Lübeck erhoben. Zusätzlich wird die Bereitschaft zur Teilnahme an der ersten deutschen Bürgerkonferenz zur Priorisierung in der Medizin erfragt. Zwanzig der interessierten Surveyteilnehmer werden - stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Ausbildung - nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und zur Bürgerkonferenz eingeladen. Eine Bürgerkonferenz verwirklicht ein sogenanntes deliberatives Verfahren und ermöglicht einen modellhaften Diskurs zwischen den Teilnehmern. An insgesamt vier Wochenenden beraten diese sich intensiv über Grundwerte und Kriterien der Priorisierung. Dabei werden sie von einem professionellen Moderator unterstützt und laden sich mehrere ausgewiesene Experten zur Klärung ihrer Fragen ein. Zum Abschluss fassen die Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Beratungen in einem gemeinsamen Bürgervotum zusammen, das sie anschließend der Öffentlichkeit präsentieren.

Bürgerbeteiligung wird in Deutschland zunehmend gefordert und gefördert. Viele Hypothesen über die Effekte unterschiedlicher Beteiligungsverfahren stützen sich bislang auf theoretische Überlegungen. Die Potentiale und Grenzen von Bürgerbeteiligung an abstrakten, ethischen Fragen soll am Beispiel der Lübecker Bürgerkonferenz explorativ untersucht werden. Dazu sind qualitative semi-strukturierte Interviews mit Bürgerkonferenzteilnehmern (vorher und nachher) geplant. Die Interviews sowie die Beratungen während der Bürgerkonferenz werden auf Tonband aufgezeichnet, transkribiert und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ziel

Das Projekt soll die bislang von Experten dominierte Priorisierungsdebatte um die Alltags- und Betroffenensicht von Bürgerinnen und Bürgern erweitern. Darüber hinaus soll ein Beitrag zum Besseren Verständnis der (theoretischen) Begründungen und Effekte von Bürgerbeteiligung geleistet werden.

Laufzeit

Juli 2009-Dezember 2012

Förderung

Eigenmittel, Sparkassen-Stiftung Lübeck, Possehl-Stiftung Lübeck

Beteiligte Institute

Seniorprofessur für Bevölkerungsmedizin
Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck

Ansprechpartner

Prof. Dr. Dr. Heiner Raspe, Sabine Stumpf

Kooperation

Prof. Silke Schicktanz, Göttingen

Publikationen

Stumpf S, Raspe H. Über Priorisierung sprechen - insbesondere mit den Betroffenen. DÄB 2011; 108(7): 316-318.